München, 20. März 2019 – Gemeinsame Zeit mit den Eltern zu verbringen rangiert bei Kindern trotz wachsendem Handy- und Internetkonsum noch immer weit oben. Dazu zählen Aktivitäten jeder Art, aber auch das Vorlesen und Geschichtenerzählen, das besonders für Kindergarten- und Grundschulkinder ein wichtiger Baustein in ihrer sozialen, emotionalen und intellektuellen Entwicklung darstellt. Deshalb möchte der Deutsche Kinderschutzbund Landesverband Bayern e. V. (DKSB LV Bayern) anlässlich des heutigen „Weltgeschichtentages“ alle Eltern dazu ermuntern, sich wieder etwas mehr Zeit für das gemeinsame Erzählen und Vorlesen mit ihren Kindern zu nehmen.
Das Erzählen und Hören von Geschichten ist von jeher ein Bedürfnis des Menschen. Ob mündlich, niedergeschrieben oder auch gemalt: Menschen wollen sich mit tatsächlich Geschehenem oder Erfundenem mitteilen und gleichzeitig durch die Erzählungen anderer unterhalten werden, daraus lernen. Nicht zuletzt ist das Geschichtenerzählen aber auch ein gemeinschaftlicher Moment, der Nähe und Vertrauen schafft. In vielen Familien gehört auch heute noch das Erzählen oder Vorlesen von Geschichten zum Beispiel in Form eines Gute-Nacht-Rituals zum familiären Alltag dazu. In jeder dritten Familie jedoch ist das nicht mehr der Fall.
Ein Drittel aller Familien liest nicht mehr vor
Den Hauptgrund hierfür sieht Alexandra Schreiner-Hirsch, Dipl. Sozialpädagogin und Leiterin des Projektes „Begleiteter Umgang“ im DKSB LV Bayern, vor allem in der gesellschaftlichen Entwicklung. „Viele Eltern haben einfach weniger Zeit. Ein fehlendes soziales Netzwerk wie Großeltern, die in der Nähe wohnen und mögliche, zeitliche Engpässe auffangen könnten, tut sein Übriges.“ Je älter die Kinder werden, desto bedeutsamer werden Smartphones, die Sozialen Medien und das Internet. „Nach der Grundschule lässt dann häufig auch das Interesse seitens der Kinder nach. Moderne Medien und Geräte wie Kindls, Smartphones oder Tablets nehmen immer mehr Raum ein. Es gibt Hörbücher, Youtube-Videos und sogar Apps, die als ein vermeintlicher Ersatz für das traditionelle Geschichtenerzählen innerhalb der Familie verstanden werden können.“
Tatsächlich ist das „analoge“ Zusammensein mit der eigenen Familie und der Austausch miteinander jedoch mit keinem modernen Medium zu ersetzen, weiß Margot Czekal, Dipl. Sozialpädagogin und Geschäftsführerin Pädagogik im DKSB LV Bayern, zu berichten. „Der innerfamiliäre Austausch stärkt die Bindung zwischen allen Beteiligten. In einem solchen Rahmen stößt das Erzählte oder Gehörte nicht selten über die Geschichten hinaus weitere Gespräche an. Kinder können sich so mitteilen und mit Hilfe der Geschichten Erlebtes verarbeiten.“
Lesezeit fördert sprachliche Entwicklung
Neben der emotionalen und sozialen Entwicklung, leidet aber auch die intellektuelle, sprachliche Entwicklung unter dem Mangel an Vorlese- und Erzählzeit mit den Eltern. Fast 80 Prozent (1) der Kinder, denen mehrmals in der Woche vorgelesen wird, fällt das Erlernen des Lesens deutlich leichter. Der „Stiftung Lesen“ zufolge reichen bereits mehrmals die Woche 15 Minuten Vorlesezeit, um die Kinder entsprechend zu fördern. Im DKSB Bayern gibt es bereits seit vielen Jahren Projekte zur Leseförderung. Der DKSB Passau beispielsweise bietet jeden Dienstag einen Lesenachmittag für Kindergartenkinder an. „In enger Kooperation mit der Buchhandlung Pustet nimmt das Projekt „Lesemonster“ jeden Dienstag zehn Kinder zwischen 3 bis 6 Jahren mit in die Welt der Geschichten. Diese werden immer von zwei ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen lebhaft vorgetragen. Danach wird gemeinsam gebastelt und gespielt“, berichtet Julia Stern, Vorsitzende des Ortsverbands. Das Passauer Leseprojekt gibt es bereits seit 17 Jahren, was zeigt, wie zeitgemäß und wertvoll solche Lesestunden noch immer sind. „Da sind sogar Handys und andere elektronische Spielzeuge unwichtig, wenn das Lesemonster aus seinem Schlaf erwacht!“, erzählt Frau Stern.
Mehrwert für Kinder und für ihre Eltern
Viele Eltern wissen bereits um den Mehrwert, den die gemeinsame Vorlesezeit für den familiären Austausch bietet. Einer Vorlesestudie der „Stiftung Lesen“ nach profitieren nicht nur die Kinder davon: 76 Prozent aller vorlesenden Eltern genießen laut eigenen Angaben das Beisammensein beim Vorlesen genauso wie ihre Kinder. 70% der Kinder fordern das Vorlesen sogar aktiv bei ihren Eltern ein (2). „Gemeinsam verbrachte Zeit ist immer eine Einzahlung auf das Beziehungskonto. Dadurch entsteht mehr Kooperations- und Kompromissbereitschaft bei den Kindern in täglichen Konfliktsituationen mit den Eltern. Wenn es die Eltern darüber hinaus auch noch schaffen, diese Vorlesezeit als Selbstfürsorge zu betrachten, haben sie ganz nebenbei noch einen Beitrag zur eigenen Burnout Prophylaxe geleistet“, fasst Alexandra Schreiner-Hirsch zusammen.
Es gibt daher viele gute Gründe, um sich die Zeit zum Geschichtenerzählen und Vorlesen mit seinen Kindern zu gönnen. Sie ihnen und sich selbst zu schenken – in dem Wissen, dass es allen Beteiligten guttut.
Quellen:
1= Stiftung Lesen 2018; 2= Stiftung Lesen / Vorlesestudie 2014
Pressemitteilung zum Download (PDF)
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